Dokumentation SWMT 2016 Mainz

Herausforderungen und Perspektiven in der Sozialwirtschaft

Die 21. Sozialwirtschaftliche Managementtagung am 2. März 2016 mit rund 90 Teilnehmern hielt, was sie versprochen hatte. Sowohl Herausforderungen als auch Perspektiven kamen zur Sprache – und dabei kritische ebenso wie positive Töne. In der Tendenz blieb der Blick allerdings optimistisch. 


„Wir wollen mit unserer Ausbildung aktuell sein“, sagte Prof. Dr. Gerhard Muth, Präsident der Hochschule Mainz, in seiner Begrüßungsrede. „Die Sozialwirtschaftliche Managementtagung mit ihren stets voraus­­schauenden Themen ist deshalb für uns von sehr großer Bedeutung. Die Praxisnähe und die Berufsbezogenheit der Workshops zeigen unseren Studierenden, wie eng ihre Ausbildung mit dem späteren Berufsleben zusammenhängt. Die 21. Ausgabe verdeutlicht zudem, welch großen Erfolg Prof. Hans-Christoph Reiss hier etabliert hat.“ 

Der Gastgeber bat anschließend die Partnerunternehmen auf die Bühne, um sich kurz vorzustellen. Sie verdeutlichten die vielfältigen Heraus­­forderungen an die Sozialwirtschaft aus ganz unterschiedlichen Perspektiven: Datenschutz und allgemeine IT-Sicherheit, Finanzierungs­möglichkeiten sowie rechtliche Rahmen­bedingungen waren nur einige Stichwörter im allgemeinen Themenkanon. 

Herausforderungen der Sozialwirtschaft 2020

Tobias Allkemper, Geschäftsführender Partner der Curacon aus Münster, nahm in seinem Einführungsvortrag vorausschauend die Sozialwirtschaft 2020 in den Blick. Die bundesweit tätige Wirtschafts­prüfungsgesellschaft ist auf die Prüfung und Beratung von Einrichtungen und Unternehmen im Non-Profit-Bereich und Public Sector spezialisiert. Aus seiner langjährigen Erfahrung heraus nannte er drei große Prüfsteine für die Weiter­­entwicklung der Branche: Personalknappheit, Migration und Ökono­misierung der Sozialwirtschaft. 

Zum Fachkräfte­mangel bemerkte Allkemper, dass es besonders darauf ankommen werde, die Generation Y für die Arbeit in sozialen Unternehmen zu gewinnen. Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels könne sie mehr Forderungen stellen als etwa die so genannten Baby-Boomer. So sei dem Nachwuchs heute häufig wichtiger, etwas Sinnvolles zu tun als viel Geld zu verdienen. "Heute wird auch mit Sinnstiftung bezahlt. Darauf achtet die Sozialwirtschaft noch zu wenig." Hier gelte es, der Jugend die Arbeit mit und für Menschen zu verdeutlichen, die in ihrem Unternehmen geleistet wird. Die Personal­abteilungen seien aufgefordert, der Jugend innovative Beschäftigungsangebote zu unterbreiten, welche etwa unregelmäßige Arbeitszeiten mehr als wettmachten. Wichtig seien schnelles Feedback und abwechslungsreiche Tätigkeiten. Und die Ermöglichung von ehrenamtlicher Tätigkeit aus dem Unternehmen heraus. "Hier liegen große Chancen brach. Wer die Jugend für sich gewinnt, erhält im Gegenzug hochqualifizierte und zufriedene Mitarbeiter." 

Bei der zweiten großen Herausforderung, der Migration, sieht Allkemper positiv, dass potentielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Sozialinternehmen ins Land kommen. Damit seien allerdings auch Konkurrenzeffekte zur Finanzierung anderer Bereiche verbunden. Er zeigte sich indes optimistisch, dass man aus dem Blick des Jahres 2020 die heutige so genannte Flüchtlings-Krise eher als Fachkräfte-Segen wird beurteilen werden. 

Eine dritte wichtige Herausforderung stellt für Allkemper die so genannte Ökonomisierung der Sozialwirtschaft dar. Damit sei gemeint, dass durch die Digitalisierung aller Lebensbereiche auch Wohlfahrtsunternehmen erfasst würden. Dies biete, wie bei der Migration zuvor, Risiken aber auch Chancen. So seien durch die neuen Techniken die Möglichkeiten zur Teilhabe größer, allerdings auch die Aufgaben der Mitarbeiter komplexer. 

Zusammengefasst machte Allkemper drei Szenarien deutlich: „Erstens, die Welt eines sozialen Unternehmens wird an Komplexität gewinnen. Zweitens, der Steuerungsaufwand wird sich erhöhen. Drittens, zur Lösung der Herausforderungen ist ein besseres Verständnis vor allem auch auf der zweiten Leitungsebene notwendig.“ 

Blick in die unternehmerische Praxis

Es folgten die Workshops. Beim Vortrag von Dominik Schwärzel, Bereichsleiter von Wilken Entire Sozialwirtschaft, Premiumsponsor der Veranstaltung, war zu erfahren, was Web 4.0 eigentlich ist und welche Entwicklung auch die IT-Branche in den vergangenen Jahres erlebt hat. "Das Web 4.0 hat man immer dabei. Und man nutzt es täglich im Alltag etwa bei der Nutzung von QR-Codes oder der RFID-Technologie beim Einkauf." Übersetzt auf die Sozialwirtschaft: Es gehe um Big Data, um die Bewältigung großer Mengen von Sozialdaten und deren smarte Aufbereitung auf Knopfdruck – und zwar wirklich auf Knopfdruck. "Was nützt mir ein monatsbezogenes Reporting? Die Daten müssen tagesaktuell abrufbar sein. Nur dann hat man eine Chance zur rechtzeitigen Steuerung." Wichtig sei zudem in Prozessen zu denken und nicht mehr in Funktionen. "Der Prozess muss durchgängig funktionieren, mit welchen Funktionen auch immer." Diese Orientierung an Prozessen sei in vielen Sozialunternehmen noch zu schwach entwickelt. So habe etwa die Jugendhilfe eine eigene Abrechnung ebenso wie die Behindertenhilfe. Das mache so keinen Sinn. Es gehe darum, dass Leistungen definiert werden, die über einen Prozess abgearbeitet werden. Die Namen der verwendeten unterschiedlichen Softwaresysteme spielten so gesehen dann nur noch eine untergeordnete Rolle. "Controlling funktioniert nur, wenn alle Informationen aus allen Bereichen vorliegen." Die Zukunft von Software liege in der Webtechnologie. "Sie kaufen kein Produkt mehr, sondern eine Plattform." Die Module müssten nur noch zusammengebaut werden, je nachdem was gewünscht und gebraucht werde. Dazu gehörten strategische Überlegungen, worin das Ziel etwa in fünf Jahren liege. 

Ähnliches war im Workshop „Nachhaltigkeit bei der Finanzierung  und der Immobilienbeleihung“ von Christoph Hochkirchen-Baten, Regionaldirektor der Filiale Frankfurt der Evangelischen Bank, zu erfahren. Er sprach ebenfalls die strategische Planung an – als ein zentraler Bestandteil eines Finanzierungskonzeptes mit dem Entwurf eines Zielbildes, der Berücksichtigung von Erfolgsfaktoren und des abschließenden Lösungsdialogs. „Geht es Ihnen möglicherweise um die Finanzierung eines geplanten Zusammenschlusses?" Wenn ja, seien andere Strukturen aufzubauen im Vergleich etwa eines Immobilienkaufs im nächsten Jahr. Auch was das Personal angeht, sei das strategische Ziel wegweisend. 

Im Forum Recht „Pflegesatzverhandlungen im Zeichen des PSG II“ mit Sascha Iffland von der Kanzlei Iffland & Wischnewski aus Darmstadt wurde über die aktuelle rechtliche Lage informiert. Im Forum „Moderne Steuerung sozialwirtschaftlicher  Komplexunternehmen“ erläuterte Dr. Bernd Siefert, von der KPMG in Mainz und Stefan Friedrich von der KPMG in München anhand von anschaulichen Beispielen aktuelle Fragestellungen, die auch Auswirkungen der Flüchtlingssituation für die Sozialunternehmen mit einbezog. 

Muntere Diskussion auf dem Podium

Das Thema sollte in der abschließenden Diskussionsrunde, geleitet von Dieter Schmitt vom Saarländischen Rundfunk, erneut aufflammen ebenso wie die bereits im Eingangsvortrag und in mehreren Workshops angesprochenen Herausforderungen hinsichtlich der Suche nach geeignetem Personal. Der Fokus lag dabei auf der Digitalisierung und den damit verbundenen Anforderungen an die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. An der Podiumsdiskussion „Soziale Dienstleistungen 4.0 – Entwicklungen, die die Branche verändern (werden), beteiligten sich neben Keynote-Speaker Thomas Eisenreich, Bereichsleiter „Ökonomie“ des Verbandes diakonischer Dienstgeber in Deutschland (VdDD) in Berlin ebenfalls Dr. Michael Schröder, Geschäftsführer der Caritas-Arbeitsgemeinschaft Altenhilfe Rheinland-Pfalz/Saarland im Diözesan-Caritasverband Trier sowie Christoph Hochkirchen-Baten von der evangelischen Bank Frankfurt. Er sprang für den erkrankten Ulf Hartmann, Direktor Marktbereich Süd-/Westdeutschland der Bank für Sozialwirtschaft in Köln ein. In lockerer und dennoch kritischer Diskussionslaune erörterten die Diskutanten zahlreiche Aspekte der neuen Arbeitswelt 4.0. Alle waren sich darin einig, dass die Identität als Sozialunternehmen nicht verloren gehen und Beschäftigte nicht überfordert werden dürften. Ganz in der Metapher der neuen digitalen Welt setzten sie ans Ende der Diskussion ein verhalten-optimistisches „Smiley“.



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